"Der Schilfgürtel des Neusiedler Sees gehört zu den größten Schilfbeständen Europas und beherbergt eine einmalige Vogel- und Amphibienwelt. Gleichzeitig ist die Schilfnutzung ein Wirtschaftsfaktor in der Region. Nur wenn wir die vielfältigen Ansprüche an den Schilfgürtel unter einen Hut bekommen, erreichen wir unser gemeinsames Ziel, den dauerhaften Erhalt des Schilfgürtels zu garantieren", so Umweltlandesrätin und Burgenlands Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf über die Empfehlung des EU-Projektes, zusammenbrechende Altschilfbestände durch Abbrennen zu verjüngen.
Am 14.12.2020 trafen sich die LH-Stellvertreterin und Vertreter vom WWF Österreich, BirdLife Österreich und den Esterhazy Betrieben bei Schilfschneider Markus Brunner von reedmaX zum Lokalaugenschein. Mehr über
- WWF-Experte fordert Prüfung wegen "Schilf abbrennen" - hier
- "Verantwortung für geschützte Arten, die im Schilfgürtel leben" - hier
- Folgen für den Lebensraum im Schilfgürtel - hier
- das EU-Projekt "Nachhaltige Schilferntetechnik" - hier
- Oktober 2022: Amphibienbaggern entfernen Schlamm aus dem See - hier
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Fotos (c): Bgld. Landesmedienservice, Prinz/SCHNAPPEN.AT
EU-Projekt "Schilferntetechniken und Monitoring-Schilfgürtel"
Sowohl Natur- und Artenschutz als auch die regionale Wirtschaft, wie etwa Schilferntebetriebe müssen sich aufgrund der Klima- und der Biodiversitätskrise am Neusiedlersee in Österreich an neue Bedingungen anpassen. Deshalb wurde, mit dem Ziel, für ein optimales Management des Schilfgürtels eine seriöse Datenbasis zu schaffen, bereits 2018 ein breit angelegtes EU-Naturschutuzprojekt gestartet.
Schilfvögel & Amphibien
Das Naturschutzprojekt "Entwicklung nachhaltiger Schilferntetechniken und Monitoring-Schilfgürtel Neusiedler See", das 2020 ausläuft, sollte das Vorkommen und den Erhaltungszustand von Schilfvögeln und Amphibien sowie die Auswirkungen der Schilfbewirtschaftung näher untersuchen.
Molche, Unken, Kröten
Aus den Ergebnissen sollten Vorschläge für ein besseres Management des Schilfgürtels abgeleitet werden. Abgesehen vom Vögel-Monitoring gibt es erstmals auch einen Überblick über die Amphibienfauna (Molche, Unken, Frösche und Kröten) des Schilfgürtels.
Seefrosch
Demnach treten Amphibien zwar in großer Artenzahl und reproduzierenden Beständen auf, sie sind aber nur in relativ geringer Dichte vorhanden. Im Vergleich zu den 1980er Jahren hat sich die Bedeutung der landnahen Schilfbereiche für Amphibien stark verringert. Teichfrosch und kleiner Wasserfrosch, die in den 1980er Jahren einzigen Wasserfrosch-Taxa am Neusiedlersee, wurden im Schilfgürtel zwischenzeitlich fast vollständig durch den Seefrosch ersetzt.
Projekt-Empfehlung "Schilf abbrennen": WWF fordert Prüfung
Eine der bemerkenswertesten Empfehlungen des EU-Projektes ist, den derzeit aus Luftreinhaltegründen untersagten Einsatz von Feuer wieder zu gestatten. Mit dem Einsatz von Feuer und einem kontrollierten und überlegten Abbrennen des Schilfs sollen lt. EU-Projekt Altschilfbestände verjüngt werden können. Ohne Abbrennen werden Alt-Schilfflächen oft niedergewalzt, um die Ernte im Vogeljahr vorzubereiten.
"Wildes Drauflosbrennen"
Bernhard Kohler, Naturschutzexperte beim WWF: "Diese Notlösung ist aus Naturschutzsicht sehr problematisch und bringt zudem einen geringeren Ernteertrag mit sich." Der Naturschutzexperte fordert eine genaue juristische, umweltpolitische und logistische Prüfung eines möglichen Feuereinsatzes: "Wildes Drauflosbrennen ist keine Lösung. Bedenken hinsichtlich Klimaschutz und Sicherheit müssen abgeklärt und ein gut überlegten Rotationssystem erarbeitet werden."
"Verantwortung für viele geschützte Arten"
"Als Teil des Europaschutzgebiets Neusiedler See-Seewinkel/Nordöstliches Leithagebirge tragen wir eine hohe internationale Verantwortung für die vielen geschützten Arten, die hier im Schilfgürtel leben. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass die Schilfernte, die durch Ausbleiben der winterlichen Eisdecke schwieriger geworden ist, auch weiterhin schonend durchgeführt werden kann. Mit den neu erstellten Daten gibt es jetzt eine aktuelle und seriöse Grundlage für ein schonendes Management des Schilfgürtels", erklärt LH-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf.
Gut geplanter Feuereinsatz
Zwar müsse die Nationalpark-Naturzone von einem solchen Eingriff ausgenommen sein, außerhalb davon könnte ein gut geplanter Feuereinsatz eine echte Hilfe für den Vogelschutz und die regionale Wirtschaft darstellen.
Erstmals gibt eine Flächenbilanz des Schilfgürtels einen Überblick über Alter und Struktur des Schilfs sowie über die Ausdehnung der Ernteflächen und die Lage von geschädigten und absterbenden Flächen.
Vogelwelt
Eine Bestandserhebung der Schilfvögel hat gezeigt, dass ganz junge, häufig geschnittene Schilfbestände wenig Bedeutung für die Vogelwelt haben. Mit einer alljährlich auf denselben Flächen erfolgenden Schilfernte können die Vogelbestände nicht erhalten werden.
"Die meisten Vogelarten im Schilfgürtel nutzen in erster Linie älteres, längere Zeit nicht genutztes, strukturreiches Schilf. Gleichzeitig verringert sich aber auch die ornithologische Bedeutung von Altschilfflächen nach etwa 15 bis 20 Jahren. Das gilt sogar für spezialisierte Altschilf-Arten, wie den Rohrschwirl, den Mariskensänger und das Kleine Sumpfhuhn", erläutert Michael Dvorak, Naturschutz-Experte von Birdlife Österreich.
Folgen für den Lebensraum im Schilfgürtel
Verjüngung des Schilfgürtels
Dvorak weiter: "Eine periodische Verjüngung des Schilfgürtels hätte für den Vogelschutz sehr positive Folgen. Dazu wären gut überlegte Eingriffe in entsprechenden Zeitabständen und in der richtigen Dosierung nötig."
Matthias Grün, Geschäftsführer der Esterhazy Betriebe GmbH: "Die Schilfernte ist insgesamt rückläufig und konzentriert sich derzeit auf die landseitigen Teile des Schilfgürtels. Dennoch ist es wichtig, dass die Ernte in den bewirtschafteten Gebieten in einer naturschonenden Form abläuft. Anders als zuletzt angenommen, hängt die Gefahr einer Schädigung von Schilfbeständen nicht so sehr von der Verwendung bestimmter Maschinen, sondern mehr von der Art ab, wie diese Maschinen eingesetzt werden."
Lebensraum Schilf
Grün über das EU-Projekt: "Im Projekt wurden die Best practice-Erfahrungen erfahrener Schilfschneider gut dokumentiert. Gelöst werden muss die Frage der Vorbereitung der Ernteflächen, um die Nachhaltigkeit der Schilfernte sicherzustellen. Als verantwortungsvolle Grundbesitzer sind wir natürlich daran interessiert, sowohl die wirtschaftliche Ressource als auch den Lebensraum Schilf dauerhaft zu erhalten."
"Für eine schonende Bewirtschaftung ist es entscheidend, die Ernteflächen nicht wiederholt zu befahren, Fahrgeschwindigkeit und Rhythmus gleichmäßig zu halten und Wendemanöver bodenschonend durchzuführen. Bei umsichtiger Handhabung scheinen auch die derzeit vorwiegend verwendeten Raupenfahrzeuge keine oder nur geringe Schäden zu verursachen", fügt Markus Brunner, Schilfschneider, Firma reedmaX hinzu.
"Zukunft hängt davon ab"
"Gerade die Schilferntebetriebe müssen die naturschonende Gestaltung ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten im Auge behalten. Schilf kann sehr produktiv sein, es ist aber auch sehr empfindlich. Unsere Zukunft hängt davon ab, wie wir es behandeln", gibt Brunner zu Bedenken.
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